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Donnerstag, 4. September 2014

Textfragment auszahlen

Muss sich alles auszahlen? Mein depressiver Kontostand, der sich auf seinem absoluten Tiefstpunkt befindet, lässt mich um seine, manchmal auch um meine eigene Existenz bangen. Seiner Meinung nach, sollte ich mich gänzlich dem Auszahlen widmen, bis ich und er schwarz werden. Denn erst durch das Auszahlen wird jemand einzahlen und das Minus, das rote Damoklesschwert, abzahlen.

Was sich nicht auszahlt, hat keinen Geld-, Vermögens- oder Kapitalwert, meint er. Ist also nichts wert, seiner Werteinschätzung nach. Die Differenz aus Soll und Haben ist ein tiefes Loch, durch das man fallen kann, um am Rande der Gesellschaft zu landen. Schnell kann es gehen, wenn die Löcher im Geldsäckel nicht gestopft werden.

Und gestopft wird mit harter Arbeit, Schweiß und totaler Aufopferung - die sich auszahlt! Die gebetsmühlenartige Predigt im Tenor meiner Großmutter ist nicht zu überhören. Blutige Finger waren ein gut und für jedermann sichtbarer Beweis, dass Leistung erbracht wurde. Ein untrügliches Zeichen war das Leiden, das man im Vollbringen zu erdulden hatte, um sich selbst gewahr zu sein: Es zahlt sich aus! Schwer trug der Herr das Kreuz, schwer trug sie selbst das Kreuz, das sie Leben nannte. Was leicht ging roch nicht nach Schweiß und ging somit nicht auf das eigene Konto. Glück war etwas für Verlierer, die es anders wohl kaum zu etwas gebracht hätten. Somit verlegte sie sich aufs Unglück um wiederum hart daran zu arbeiten, dem ganzen ein wenig Freude abzuringen, die sie erst empfinden konnte, wenn sie ihr schwer von der Hand ging.

Was schwer von der Hand geht, zahlt sich aus, wenn es denn von der Hand geht! Auch das habe ich immer wieder gehört. Von jenen, die sich hinter Lehrertischen verschanzten um nicht mehr von sich preisgeben zu müssen als das Wissen, für das sie schließlich bezahlt wurden. Die Energie auf das zu lenken, was schwer fällt um es zu erlernen, indem man hart an der Mangelhaftigkeit arbeitet, zahlt sich aus. Schließlich ist es eine Leistung sich von einer schwachen Vier auf eine bescheidene Drei hochzuarbeiten. Das Talent sei lediglich ein Geschenk, das man nicht verdienen muss, und das man erst gar nicht verdient, solange die zum Scheitern verurteilende Vier nicht die nötige Aufmerksamkeit erfährt. Durchhalten und dranbleiben, bis der gute Durchschnitt erreicht wird. Das zahlt sich aus - später.

An später zu denken hätte ich fast vergessen, wenn mich nicht dauernd die einmahnende Pensionsvorsorge daran erinnern würde. Sie würde sich auszahlen, wenn ich heute einzahle, damit mein Kind nicht draufzahlt, wenn eine Aufzahlung meiner Pflege fällig wird. Das eigen Leiden muss man sich nämlich leisten können, im Alter und deshalb ist sie jetzt zu erbringen, die Leistung in Form einer Einzahlung. Natürlich muss man hart und schwer dafür arbeitet, sich die Kosten für die Leiden von morgen vom Mund absparen. Wer hungrig zu Bett geht, weiß wofür. Schließlich zahlt er sich aus, der Verzicht, der die Freude darüber für später verspricht.

Darauf verzichten, was sich nicht auszahlt? Nichts mehr zu tun, wofür keiner zahlt? Zahlt sich das für mich aus? Naiv sei ich - meint mein Konto, zu nichts nütze - haucht der Geist der Greisin, faul weiß der Lehrer zu notieren und leichtfertig sei ich -  prognostiziert die Vorsorge. Und ich staune, wie oft ich ihnen geglaubt habe, bis ich begriff: Ich selbst zahle mich erst aus, indem ich nicht mehr den Anspruch erhebe, dass sich alles auszahlen muss!

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