Wie gut, dass es das Wetter gibt! Unbestritten ist sein Nutzen,
umstritten ist es, wie es für jemanden ist, wenn es ist, so wie es gerade ist.
Wettergespräche führen wir ein Leben lang. Manche, so habe ich den Eindruck,
führen niemals andere. Das Sprechen darüber kommt nie ungelegen, auch in den
stillsten Momenten scheint die Vorhersage gut zu sein, dass man den
Ausdruck der persönlichen Wetterwahrnehmung wagen kann, ohne ein
Donnerwetter zu provozieren.
Wartezimmer wie Liftfahrten, Geburtstage
wie Trauerfeiern, gute Bekannte, denen man eigentlich nichts mehr zu sagen hat
und Fremde, um deren man nicht umhin kommt, sind Umstände die den Austausch
über das Wetter und seine Kapriolen begünstigen. Vordergründig könnte man
annehmen, es handle sich um inhaltsloses Geplänkel, sofern man die Beschreibung
der Wetterlage und die Voraussicht darauf als inhaltslos bewerten will, das nur
darauf abzielt den stimmenleeren Raum mit Blabla zu befüllen oder die Vermutung,
dass sich dahinter der Versuch einer Kontaktaufnahme verbirgt, die nicht mehr
verspricht als einen feuchten Händedruck.
Beim genaueren Hinhören wird klar, dass mehr offenbart wird, als
einem vielleicht lieb ist – besonders wenn man sich selbst beim „über sich
selbst sprechen“ ertappt und das Wetter lediglich als willkommene Metapher für
das eigene Befinden herangezogen wird.
Über das Wetter sprechen verrät den Optimisten, den Pessimisten,
den Skeptiker, der selbst dem Regen das Unwetter nicht glaubt, die
Sicherheitsfanatiker und jene die bei jeder Gelegenheit den Fachmann nach seiner
Meinung fragen um selbst im Wiedergeben der fachmännischen Meinung zum Fachmann
werden. Tagesverfassungen können erahnt werden, besonders wenn die Sonne bei
perfekten 25 Grad scheint und die Entrüstung darüber den Eindruck eines
Wintertags hinterlässt oder das bevorstehende Gewitter mit einem Lächeln in Empfang
genommen wird.
Das Wettergespräch gibt dann und wann Auskunft über den jeweiligen
Broterwerb. Hier gibt es Freude über Regenschichten zum Leidwesen jener, die
gerne hitzefrei hätten, die Schneekettenvollprofis, die bei jedem Wind und
Wetter unterwegs sind und sich gerade deshalb über jene mokieren, die schon bei
Schneeverdacht Staus produzieren. Andere können der Trockenheit aus Angst um
die eigene Existenz nichts Erfreuliches abgewinnen und blicken sorgenvoll auf
den 100jährigen Bauernkalender, der für die nächsten Lostage keine Entspannung
verspricht. Dann gibt es jene, die von ihren schweißtreibenden Tätigkeiten in unklimatisierten
Büros berichten, aus denen sie nach 10 Stunden flüchten und das sie am liebsten
gegen einen Daueraufenthalt in der Südsee eintauschen würde. Dort sei es zwar
heißer aber die Tätigkeit, die sie vermutlich auch im Winter schwitzen lässt, würde
sie dann kalt lassen. Manchen ist es egal, wie das Wetter ist oder wird. Sie
hätten ohnehin keinen Grund mehr, ihr Zuhause zu verlassen.
Der Grad der Einsamkeit ist fast genauso nachempfindbar wie die
gefühlten minus 15 Grad Kälte, sofern man den Wetterberichten derjenigen
lauscht, die davon erzählen, wie der Selige das aktuelle Wetter erlebt und
beurteilt hätte, was er beim bevorstehenden Unwetter getan und wie es wäre,
wenn er noch da und man gemeinsam jünger wäre. Bei all den Wetterbeurteilungen
durch einen bereits Verblichenen könnte man dem Verdacht erliegen, dass trotz
strahlendem Sonnenschein sich für diesen Menschen die Sonne hinter dunklen
Wolken verzogen hat und dass das Wetter all das in die Erinnerung zurückholt,
was von sonnigeren Tagen im Herzen übrig blieb.
Auch Vorhersagen lassen weit blicken. Vor allem in die
Vergangenheit, wenn die mehrfach operierte Hüfte, die vom vielen Arbeiten zusätzlich
ein Opfer der tölpelhaften Chirurgen wurde, eine Vorhersage über den
bevorstehenden Wetterumschwung trifft. Ich erinnere mich an das zerschossene
Knie, dass mir zwar nie etwas darüber erzählte, wie es dazu kam, wie es kam, um
dafür umso auskunftsfreudiger zu sein, was den bevorstehenden Schnee betraf, der
von Jahr zu Jahr weniger wurde, bis das Knie nie wieder eine schmerzliche
Erinnerung hinterließ die nicht mehr als das Wetter fühlen zuließ.
Man braucht hingegen kaum zwischen den Zeilen lesen um Details über
vergangene und bevorstehende Reisen zu erfahren. Besonders wenn das Wetter eine
wesentliche Rolle im Erleben des Urlaubes spielt. Schadenfroh wird von sonnigen
Urlaubsorten berichtet, sofern das Wetter zuhause dem genauen Gegenteil
entsprach. Die verflogene Vorfreude im Hinblick auf die erwartete Kaltfront,
die den Badeurlaub baden gehen lässt, lässt erahnen, was sich hinter Hotelzimmertüren abspielen könnte, wenn man aus Ermangelung an Beschäftigungsalternativen,
miteinander eingepfercht den Alltag aufleben lässt, dem man eigentlich
entfliehen wollte.
Zusätzlich eignet sich das Wetter hervorragend als Sündenbock. Wenn
das Tiefdruckgebiet, das sich über Schlafzimmer zusammengebraut hat, den
Kopfschmerz verursacht, der wiederum die Zweisamkeit entschuldigt, die eigene
Trägheit der Hitze zugeschrieben wird und das Regenwetter die trübe Stimmung
macht, ist das eigene Handeln hinfällig. Man begnügt sich mit dem Erwarten auf
zuträgliches Wetter. Falls sich dieses nicht einstellt, ist mit Sicherheit das
Klima schuld, dass das Schicksal des eigenen Befinden besiegelt. Erst eine
Klimaveränderung, wie ein Kuraufenthalt mit viel Schatten, bringt Erleichterung
wie die Erkenntnis, dass das Klima zuhause eindeutig auf das eigene
Wohlbefinden Einfluss nimmt. So bekommt man zu hören, dass das besondere Klima
einem vor Ort zum Strahlen brachte und der Taint nach 2 Wochen zuhause verflog.
So gesehen ist das Wetter ein Phänomen für sich. Die Gespräche
darüber auch.
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