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Sonntag, 1. Juni 2014

Textfragment Foto

Was sind die, auf Hochglanz hinretuschierten Bilder auf meiner Kamera im Verhältnis zu jenen, in meinem Kopf? Was erzählen sie mir vom erlebten Moment? War ich überhaupt mit Herz, Hirn und Verstand in dem Moment anwesend, als ich es geschossen habe? Oder war ich zu sehr damit beschäftigt, dass er gut aussieht, der heile Moment, der sich als Erinnerung würdig auf meiner Kamera verewigt? Ich erinnere mich nicht. Meine Erinnerung wurde in ein Bild gepackt und aufgespart, um es wieder hervorzukramen, wenn mir nach Erinnerung ist. Gleichzeitig ist der Moment, den ich festhielt um ihn fest zu halten in der Unaufmerksamkeit an mir vorüber gegangen, ohne, dass ich ihn mit der Intensität wahrnehmen hätte können. Ein Foto, ein Lückenfüller für den Moment, an dem ich nicht anwesend war, um ihn zu genießen. Keine Zeit den Wind zu spüren, der mir, stürmisch genug, die Haare zerzaust. Der eindringliche Geruch des Meeres, der sich im Wohnzimmer kaum reproduzieren lässt, zog an mir vorüber, ohne, dass ich die Schwere der Weite mit einem Atemzug in mich aufnehmen konnte. Ich war zu beschäftigt nicht zu wackeln und hielt dafür sogar einen - genau diesen Moment, die Luft an. Ich habe das Rauschen nicht gehört, das Salz nicht geschmeckt und all das was, was außerhalb des Erfassens der Linse lag, nicht gesehen.  Die Konzentration auf das Bild fordert das Weglassen von all dem, was noch war, um den Moment zu einem unvergesslichen werden lässt.

Du willst wissen, wie es war? Dann frag mich. Ich werde dir keine Bilder zeigen. Ich werde dir von jenen in mir erzählen. Ohne Anspruch an Wahrhaftigkeit, ohne, dass du siehst, was ich gesehen habe um gleichzeitig dir ein eigenes Nacherleben zu ermöglichen. Nimm dir die Freiheit und nutze deine Fantasie und verbinde sie mit deinen Erinnerungen an den Geruch von frischem Grün und wolkenlosen Sandbänken. Klammere nicht an dem, wie es womöglich für mich war. Von den Momenten, die ich festhalten wollte, ohne sie auf 10 x 15 zu reduzieren will ich dir berichten. Vieles werde ich weglassen. Manches werde ich im Laufe meines Lebens noch oft erzählen und so manch illustre Runde damit erheitern. Einiges behalte ich für mich. Nicht jeder Moment gewinnt im Teilen, manche bleiben lieber für sich, wie ein gut behüteter Schatz, der sich nur einem selbst offenbart.

Ich bin vereist und kehre zurück als die, die eine Reise tat um von ihr zu erzählen. Ich bin übervoll mit Bildern, die erst durch das Vergessen sortieren werden. Sind es die wesentlichen Momente, die ich mir in Erinnerung behalte? Vielleicht spielt das keine Rolle, solange ich mich erinnere, wie ich mich gefühlt habe, als meine Zehen in das kalte Nass tauchten. Wesentlich oder nicht - ich habe es erlebt. Und was davon bleibt, verewigt sich in meinen Fotos die ich in mir mit mir trage.

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