Immer wieder stehe ich am Bahnhof. Nicht um zu verreisen
oder um anzukommen. Ich beobachte die Züge, die, auf Schiene gebracht, irgendwo
und manchmal genau hier, ihr Ziel erreichen. Mit ihnen die Fahrgäste,
offensichtlich der Zielsicherheit der Züge bewusst, die sich auf dieses
umweglose Unterfangen einer Zugfahrt einlassen. Ich beobachte Menschen, wie sie
schnurstracks, wie auf Schienen, ihren Bahnsteig finden und nie das Gleis
wechseln geschweige denn verschoben werden, wie es die Alltäglichkeit eines Bahnhofes
vorsieht. Das Handy ans Ohr geklemmt, eilen sie durch die Hallen, lösen noch
ein Ticket um dann im punktgenau kalkulierten letzten Moment zuzusteigen. Jedes
Mal beschleicht mich der Verdacht, dass bei diesen Menschen jeder Schritt
sitzt. Ich vermute sogar, dass die Schritte bis zum garantierten, durch die
Bezahlung des Aufpreises versicherten Fensterplatzes, abgezählt sind. Man
könnte ihnen sämtliche Sinne nehmen, ohne, dass der Unterschied jemanden auffallen würde. Schließlich gewöhnt sich das Auge an gehetzte Bilder, die ein klar Sehen unmöglich machen, die omnipräsente Eintönigkeit stößt auf kein offenes Ohr, und der geschmacklose Einheitsbrei der Ereignisse benötigt kein Begreifen der Umstände.
Zu gerne würde ich fragen, ob
Fahrplanänderungen als taktlos empfunden werden.
Manchmal durchdringt die Halle eine Verunsicherung, die
ganze Menschengruppen in eine Aufgeregtheit versetzt, das sich durch hektisches
hin und her Eilen, konzentriertes Lesen und permanentes Kontrollieren von
Tickets und dem folgenden Abgleich mit Anzeigetafeln bemerkbar macht.
Die Furcht, den Bahnsteig, den Zug, das Abteil zu
verwechseln, treibt den eingefleischtesten Introvertierten dazu, wildfremden
Menschen nähere und vor allem zielführende Informationen abzuringen. Die
Vorstellung am falschen Dampfer zu sein, fordert jede Form der Absicherung um
nicht gänzlich in Panik zu verfallen. Dafür wird die persönliche Vorliebe des
für sich Seins zur Seite geschoben, Sprachbarrieren überwunden und
Schicksalsgemeinschaften eingegangen, wenn man selbst schon verloren, auf noch
jemanden trifft, der das gleiche Ziel verfolgt und wie man selbst, zwischen den
mannigfachen Zu- und Ausstiegsmöglichkeiten umherirrt.
Jedem hier scheint klar zu sein, dass, sobald sich die
falschen Türen hinter einem schließen, das Leben einen gänzlich anderen Verlauf
nimmt als geplant. Schließlich ist man ja der Hoffnung erlegen, dass mit dem Zug
reisen, in einem Zug durchreisen, bedeutet. In der Welt des Zugreisenden gibt
es keine Umwege, keine Staus, kein Verfahren und der getakteten Planbarkeit sei
Dank, mit Sicherheit kein Einfahren.
Risikoreich ist im Grunde nur das Zusteigen in den vermeintlich
falschen Zug, auch wenn sich vielleicht im Nachhinein hätte herausstellen
könnte, dass andere Ziele durchaus erstrebenswert gewesen wären.
Spätesten nach Sicherstellung, dass man selbst und der
mitgebrachte Ballast, richtig sitzt, stellt sich Erleichterung ein, die durch
eine Extraportion Endorphine belohnt wird. Schließlich hat man etwas geschafft
auch wenn sich das Erreichen auf das Einnehmen des zugewiesenen Platzes
beschränkt.
Das unkontrollierte, an einen Spasmus erinnernde Winken aus
dem Zugabteil ist vermutlich nichts anderes als eine Stressabbaureaktion die
sich automatisch nach einer überstandenen, wenn nicht lebensbedrohliche dann
zumindest lebensverändernden Situation, zeigt.
Immer wieder stehe ich am Bahnhof, verstehe nur Bahnhof und
frage mich, ob ich jemals wieder Lust verspüren werde, auf den Zug
aufzuspringen.
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