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Dienstag, 12. August 2014

Textfragment Gobi

Unaufhaltsam ergießt sich der Fluss der Worte in den spärlich ausgestatteten Raum zwischen uns. Nichts dazwischen, was das Gesprochene aufhalten oder zurückdrängen könnte. Nichts da, was es erträglich machen würde. Das Zuhören meine ich. Das sparsame Bekannt-Sein ist die Wüste Gobi unter den Beziehungen. Karg und öde und manchmal reizvoll, sofern man sich jederzeit aus dieser spröden Beziehungslandschaft zurückziehen kann.

Ich jedoch habe den Rückzug verpasst. Zunächst freiwillig. Nach kurzer Zeit verließ mich allerdings der Mut, um mich couragiert aus dieser Affäre zu ziehen, wenn sie denn nur eine wäre. Den Anstand zu wahren ist meine persönliche Feigheit vor der persönlichen Freiheit, die es zulassen würde, mein Leben in diesem Moment weiterzuleben. Ohne dabei von einer Wortlawine verschüttet zu werden, deren einziger Zweck es ist, durch viel sagen nichts sagen zu müssen, was von persönlichem Belang wäre.

Schon lange blicke ich ins Leere und höre die Worte, die ich nicht verstehe. Bahnhof - denke ich und zucke zusammen. Die Uhr verheißt nichts Gutes und drängt mich zum Aufbruch. Bahnhof - denke und verstehe ich und bemerke, dass ich knöcheltief in Gobitreibsand stecke. Das Festsitzen vertreibt die Zeit und die Aufmerksamkeit, die sich bereits in der Weite der Wüste verloren hat.

Ich starre auf die weiße Fläche, die erst durch das schwarze Gebälk ihren Sinn, nämlich die Zeitmessung, offenbart. Als sich die Schleusentore des Gesichtes öffneten und das "Wie geht es dir, mir, den anderen und wem auch immer und das hast du gehört, gelesen, gesehen" über mich hereinbrach war es 27 Minuten früher. Kaum zu fassen, wie man Zeit verbringt, wenn man dabei zusieht, wie sie vergeht. Mein Kopf fällt alle drei Sekunden senkrecht nach unten um sich in den dazwischenliegenden zwei Sekunden wieder aufzurichten. Man könnte meinen, ich nicke. Dabei zähle ich die Sekunden, die vergehen und dafür die verbleibende Zeit auffressen. Ich kann das Schmatzen beim Verzehr meiner Lebenszeit deutlich ausmachen. Leise aber doch vernehme ich: Tick Tack Tick Ta...

"Ich versäume meinen Abflug!" fahre ich dazwischen und bemerke, wie sich meine Aufmerksamkeit der Wüste Gobi ab und dem Ausgang zuwendet. "Ich dachte, du wolltest mit dem Zug verreisen?" höre ich noch und denke dabei laut:" Ich habe genug von Wüstenbahnhöfen!"

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