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Dienstag, 29. April 2014

Textfragment Zukunft

"Wie stellen Sie sich denn Ihre Zukunft vor?" fragte er mich, ohne seinen Blick von den Unterlagen zu lösen, die breit ausgefächert vor ihm den Tisch bedeckten, als müsste der Tisch erfrieren, wenn er schutzlos den Blicken ausgeliefert wäre. Ich starrte ihn an, um zumindest die geringe Chance auf Blickkontakt wahrnehmen zu können, wenn er auf der Suche nach seiner Kaffeetasse den Kopf in meine Richtung drehen musste, um nicht den Unterlagentischwärmer in einer plötzlich hereinbrechenden Sintflut aus Kaffee und Milch zu ertränken. Ich war unsicher, welcher Antwort es bedurfte, um das Gespräch zu einem gütlichen Ende zu bringen. Im Gedanken hatte ich ihm bereits freundschaftlich die Hand geschüttelt und das Zimmer verlassen als mein Zögern unweigerlich durch das Nachsetzten der Frage : "Sie werden ja wohl eine Vorstellung haben, wie es bei ihnen weitergeht?" bestraft wurde. Ich räusperte mich, um den Anflug von Groll, der meine Stimme belegte, schlucken zu können. "Von welcher Zukunft sprechen wir?" entgegnete ich, um mir selbst Zeit zu verschaffen, das Wesentliche vor mein geistiges Auge zu rücken. Nun blickte er hoch und sah mir mitten ins Gesicht. Seine Augen suchten nach Anhaltspunkten, die Rückschlüsse auf eine treffende Antwort zuließen. Ich schmunzelte über meinen kleinen Triumph, der mir endlich den Blickkontakt bescherte, den der Anstand für gewöhnlich vorsieht.

"Wir sprechen hier von Ihrer Zukunft, was für eine absurde Frage...!" Die Sicherheit über meine Antwort entlockte mir ein breites Lächeln. "Ich freue mich, dass Sie mir diese Frage stellen!" Ich richtete mich auf, rückte meinen Stuhl ein Stück näher an den Schreibtisch, dem vermutlich noch immer kalt war, und setze fort: "Ich verstehe mein Tun als Entwicklungsmöglichkeit für Menschen, die ein Interesse daran haben, aus der eigenen Krise heraus, nachhaltigen Nutzen für sich selbst zu ziehen. Ich unterstütze diese persönliche Chance meiner Kunden, indem ich ihnen mein Know-How und meine Kreativität anbiete um sich selbst daran abzuarbeiten bis sie für sich selbstsicher sagen: Ziel erreicht! Ich stecke meine Energie in die Vision dem Konflikt den Schrecken zu nehmen und ihn als Chance auf Veränderung in den Unternehmen salonfähig zu machen. Ich überzeuge mit der Idee von  Win-Win-Möglichkeiten. Ich trage zur Ermutigung der gelebten Unternehmenskultur maßgeblich bei, sodass die, in vielerlei Hinsicht intelligenteren Unternehmen, keinerlei Sinn stiftenden Maßnahmen mehr benötigen. Der Sinn dieser Unternehmen erwächst aus der Identifikation jedes Einzelnen, der sich als Teil davon wahrnimmt, was wiederum Sinn aus dem Unternehmen selbst generiert.....!" 

Ich unterbrach meinen Vortrag als ich die Fassungslosigkeit in den weit aufgerissenen Augen meines Gegenübers bemerkte. Die versteinerte Miene, die zu Beginn des Gesprächs einem Steinbruch glich, schien zu einem Erdrutsch zu entgleiten, der letztlich nur von zwei dünnen, krampfhaft aufeinander gepressten Lippen abgesichert wurde. Der vormals durchaus elastische Körper, der selbstsicher für sich Raum in Anspruch nahm, drängte sich nun in den Sessel, der ihm nun zur Haltung verhalf, die ihm während meiner Ausführungen verloren ging. "Wann haben Sie damit angefangen?" zischte es zwischen den schmalen Lippen hervor. "Gestern." antwortete ich knapp. "Und was hat das mit uns zu tun?"die Irritation in der Stimme war nicht zu überhören. Ich lehnte mich entspannt zurück, selbst erstaunt über die Wirkung meiner Worte und stolz über die Ausführungen meiner bereits gelebten Zukunft, die ich auf dem frierenden Tisch verbal ausbreitete. "Was vermuten Sie?" fragte ich befreit zurück.

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