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Montag, 3. März 2014

Textfragment Abwege

Sie machte am Absatz kehrt und beschleunigte ihren Schritt. Die Gasse entlang, bis hin zur Kreuzung in die die Seitengasse mündete. Sie bog ab und reihte sich in die Masse der Büroflüchtlinge ein. Ihr Schritttempo arrangierte sich prompt mit dem monotonen Gleichschritt, der letztendlich eine fußgängerische Massenkarambolage auf diesem heillos überfüllten Straßenzug verhinderte. Einzig ihre Atmung hielt sich nicht an den uniformen Gleichklang. Noch immer rang sie nach Luft, die ihr in ihrer Eile ausgegangen war und von der sie jetzt, in ihrer gewohnten Umgebung, nicht genug bekommen konnte. Was hatte sie bloß geritten, ihren Weg zu verlassen? Einfach abbiegen um sich auf Nebenschauplätzen und Seitenstraßen herum zu treiben war nicht ihre Art. Zu oft wurde sie davor gewarnt, den Weg zu verlassen, der durch das Eintauchen in das allgemein Gültige Sicherheit bot. Dem grauen Treiben verpflichtet, sich selbst sogar als unwesentlichen Teil davon wahrnehmend, war sie für einen Moment bei sich, um sich erschrocken im Abseits wiederzufinden. Niemals wäre sie bewusst vom Weg abgewichen. Das wäre für sie zu abwegig. Dafür bedurfte es der Unkonzentriertheit auf das was vor ihr lag oder vielmehr die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich selbst. Diese Erfahrung hatte sie nie gesucht. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen ein Erleben dieser Art für sich herbeiführen zu wollen. Zu groß war ihre Furcht vor Einbahnstraßen und Sackgassen, die für sie nichts anderes bedeuteten, als Umwege, die unter größten Kraftanstrengungen wiederum in die orientierte Masse einflossen um darin ihr unpersönliches Heil zu finden. Sie kniff die Augen zusammen um sich der Bilder, die in ihr aufstiegen zu erwehren. Sie wollte nichts sehen und schon gar nicht erinnert werden an ihren Fehltritt, der ihr jetzt einen Fehltritt abverlangte. Sie knöcherte um. Sie blieb stehen und fasste sich an ihr Fußgelenk um durch den Druck ihrer Hände den Scherz einzudämmen. Die Massen strömten weiter doch sie kam nicht vom Fleck. Sie wurde gerempelt, gestoßen, von der Seite angeheischt, sie möge ihren Arsch weiterbewegen. Ihrer Trittfestigkeit beraubt humpelte sie weiter. Gänzlich aus dem Takt erinnerte ihre Fortbewegung an die der Kugel beim Flippern, deren einzige Chance auf Bewegung darin bestand gestoßen und abgestoßen zu werden um nicht ins Bodenlose zu stürzen. Ihrer Fassung längst beraubt taumelte sie weiter bis sie, nach außen vertrieben, einen Sammelplatz ganz am Rande der Gesellschaft fand. Sie wollte zurück und weiter. Dorthin wo alle hin sollen. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie jetzt nicht wie die anderen mitmarschieren konnte. Die Masse verzeiht keine Fehltritte, selbst wenn es sich um einen kurzen Abstecher handelt.

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