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Mittwoch, 29. Januar 2014

Textfragment Angst

Sie sitzt mir im Nacken. Ihr gespenstischer Atem versetzt meine anfängliche Irritation in einen Zustand der abgrundtiefen Verunsicherung. Ihre Attacken, die sie mehrmals täglich gegen mich fährt, treffen mich jedes mal unvorbereitet. Ich spüre, wie sie sich an mir hochzieht. Wie sie meine Beine lähmt und sie zur undefinierten Masse werden lässt, die im Ringen nach Standfestigkeit ein Versinken ins Bodenlose vorantreibt. Sie nimmt meinen Magen wringend in die Mangel. Das beklemmende Gefühl, durchfährt meinen Rumpf bis mir der Atem stockt. Die Lähmung erfasst meine Arme und alles an mir wird durch ihren Würgegriff in den Abgrund gezogen. Sie übernimmt die Kontrolle über den Körper um derart wehrlos den Geist mürbe und gefügig zu machen. Sie nimmt meinen Kopf in Beschlag und tapeziert ihr Schwarz auf jede verunsicherte Stelle, die sie selbst in der entlegensten Ecke meines Gehirns entdeckt. Sie breitet sich aus und erstickt jede aufkeimende Hoffnung mit ihren Bildern, die ausschließlich von Verderb, Verrat und Verlust erzählen. Mein Sehen wird gezielt auf das gerichtet, aus dem heraus sie Bestätigung erfährt. Alles, was ihr abträglich ist, wird gekonnt ausgeblendet oder prallt auf betäubte Sinnesorgane, deren Wahrnehmung ausschließlich auf sie selbst gerichtet ist. Sie weiß mehr als ich und mein Geist glaubt ihr widerspruchslos. Sie überzeugt mein Hören, alles gehört zu haben, ohne dass auch nur ein einziges meiner Ohren anwesend gewesen wäre. Sie führt mir jeden Stolperstein, jeden Abgrund, jeden Feind vor Augen. Sie erzählt mir von ihrer Wirklichkeit, vom Schicksal, das es abzuwenden gilt. Sie säuselt von Sicherheit, wissend, dass sie mich damit für immer an sich kettet. Das Sicherheitsnetz, das sie mich spannen lässt wird zu ihrer Falle. Fett wie die Spinne im Netz wartet sie darauf, mich bei der kleinsten Irritation, in ihre Fänge zu bekommt um mir meine Lebensfreude und Leichtigkeit auszusaugen. Sie lässt erst von mir ab, indem ich ihr freiwilligt ein weiters Netz zum Geschenk mache, von dem sie mich, in ihrem Durchdringen überzeugt, dass es diesmal mit Sicherheit jeden Fall und jede Eventualität, aushält und beinhaltet. Sie lässt mich im Glauben, dass ich damit mein erschüttertes Bedürfnis nach umfassender Sicherheit vollends befriedigen kann und ich nie wieder Angst durch sie habe.

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