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Sonntag, 8. Dezember 2013

Textfragment Benützen

Ich habe dich wiedererkannt. In dem Gewühl aus verkleideten Körpern, Einkaufstüten und fahlen Gesichtern hab ich dich entdeckt. Du stehst vor dem hell erleuchteten Schaufenster. Frisch rasiert, die Haare nach hinten gekämmt. Dein gut proportionierter Körper schenkt der Kleidung eine edle Form. Ich vermute deinen Geruch in meiner Nase. Ich rieche deine Haut. Aus dieser Entfernung spielt mir meine Erinnerung einen Streich und schenkt mir ein geschmacksintensives Déjà-vu. Du starrst auf dein Handy. Das Display freut sich über deine Streicheleinheiten und fordert dich blinkend auf, ihm weiter deine Aufmerksamkeit zu schenken. "Wie ich" denke ich. Gestern Nacht haben diese Finger mir beiläufig eine Wimper von der Wange gestrichen. Und ich habe zu blinken begonnen - wie dieses Handy. Diesen ersten Kontakt verstand ich als Einladung zu einer willkommenen Abwechslung. Die Häufung an zufälligen Berührungen hinterließ keinen Zweifel, dass wir über den Verlauf des Abends übereingekommen waren. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, erklärten wir uns bereit, miteinander ein bittersüßes Spiel zu spielen, das auf einer VW-Rücksitzbank seinen Ausklang finden sollte. Deinem Wunsch dich mitzuteilen, mir zu zeigen wer du bist und was dich ausmacht habe ich geschickt mit einem "mhm, sehr interessant" abgewehrt. Mein Hören konzentrierte sich längst auf deine Atmung, die mit jeder meiner Berührungen schneller wurde. Du wolltest etwas über mich erfahren, stelltest mir Fragen, von denen du annahmst, dass sie angemessen waren. Die Langeweile der Konversation konnte ich mir durch unangemessene Antworten vertreiben, die selbst du als erfrischend empfandst. Um endlich die entscheidende Hürde des ersten Zungenspiels zu überwinden verbrüderten wir uns mit einem Gläschen Hochprozentigem. Dein Kuss versprach viel und ich versprach nichts. Ein letztes Einschätzen der Situation, dann fiel ich in deine Arme und du auf mich herein. Der restliche Abend verlief nach meinen Erwartungen. Der zärtliche Kuss wich einem aufzehrenden Verschlingen, die sanfte Umarmung einem aneinander Zerren. Der Ort wurde den vorherrschenden Bedürfnissen angepasst und so fanden wir uns auf der VW-Rücksitzbank wieder. Um deiner Bitte nach meiner Telefonnummer nachzukommen notierte ich dir eine zufällige Zahlenkombination. Ich zog mir befriedigt die Hose über die Hüften, gab dir einen flüchtenden Kuss und eilte in die Nacht zurück in mein Leben.

Jetzt stehst du ein paar Meter von mir entfernt, noch immer mit deinem Handy beschäftigt. Vielleicht versuchst du gerade, mich zu erreichen. Ich lächle breit, drehe mich um und gehe weiter.



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