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Samstag, 19. April 2014

Textfragment Wunder

Die Zeit der Wunder ist für viele vorbei. Auf jede Frage findet man eine Antwort, sofern man über den nötigen Netzzugang verfügt. Sich selbst zu wundern, überwältigt werden von der eigenen Fantasie, die eine Varianz an Möglichkeiten für uns bereit hält, sofern man ihr das Dogma der Machbarkeit erspart, wird uns abgewöhnt. Wir lernen das Verlernen unseres Einfallsreichtums, der sich wundersam vermehren ließe, wenn nicht die Streitaxt der Trivialisierung, getarnt als Wissen, Kahlschlag in unseren Köpfen betreiben würde. Vom Tag unserer Geburt an wird uns von uns durch andere gesagt, was es ist, ohne uns erfahren zu lassen, was es noch sein könnte. Es wird uns gezeigt wie es geht um die Abweichung davon zu sanktionieren. Das Wundern darüber, dass die Gabel durchaus Brückencharakter besäße, sofern die ungeduldige Mutter den Balanceakt zwischen den Wassergläsern zuließe, bleibt dem Kind verwehrt. Das Wundern über das Schauspiel der Natur wird als biologische Gesetzmäßigkeit unterrichtet, als wäre es das Einfachste auf der Welt unter Beachtung des gesetzten Regelwerkes, Leben zu erschaffen. Wir wundern uns nicht mehr und wundern uns, dass wir in Tretmühlen feststecken, über Altbekanntes immer und immer wieder stolpern und Entscheidungen treffen, die in der wissenden Fortführung zwangsläufig zum Ausgangspunkt zurückführen. Das wundersame Element wird im Keim erstickt indem die Dinge so sind wie sie sind und eine andere Machbarkeit unzulässig ist. Nicht zulässig bedeutet nicht, nicht möglich. Doch dafür bräuchte es ein Wunder, das von der Überraschung und der Ergebnisoffenheit lebt. Das nicht weiß, schon gar nicht im vorhinein, wie es ausgeht und eine Mehrbewertung im Sinne von das ist es, das ist es auch und auch das und vielleicht das auch, wenn ein Wunder geschieht, als Antrieb zur Entfaltung benötigt. Was nützt das Wissen um etwas, wenn es ein Wunder braucht, um es zu ändern? Wir haben uns die Welt entzaubert um sie einfacher werden zu lassen um letztlich festzustellen, dass selbst die Einfachheit für uns zu kompliziert ist. Wir wissen Wissen, dass sich auf die Beobachtung von Wundern stützt, die dem Denken oftmals entwachsen und den bewussten Rahmen sprengen. Unser Wissen prescht voraus anstatt einen Schritt zurück zusetzten um für einen kurzen Augenblick eine Sequenz des Ganzen zu erfahren. Verwundert zu sein entzieht mir die Grenze der Möglichkeiten und eröffnet die Welt als Erlebnisspielplatz wo Gabeln zu Brücken werden.

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