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Sonntag, 20. April 2014

Textfragment Eintagsfliege

Einsteins Theorie über die Zeit relativiert mein Unvermögen, das Wesen der Zeit zu erahnen, in keiner Weise. Jeder Satz dazu liest sich wie eine Verschleierungstaktik, die dem Wunsch, für immer ein Geheimnis zu bleiben, nachkommt. Was ist die Zeit? Was vergeht und schreitet gleichzeitig voran? Wie ist die Beschaffenheit, die Qualität? Und was haben Uhren damit zu tun? Sie erklären mir nicht wie sie tickt, die Zeit. Uhren sind Metronome nach deren Takt wir unser Leben ausrichten. Was die Zeit ist, darüber können die Sekundenzähler, die aus ihrer Dinglichkeit heraus keinen Eindruck von der Qualität des Vergehens haben, keine Aussage treffen. Sie als unwesentlich abzutun wäre in Anbetracht der Tatsache, dass sie mein ständiger Begleiter ist, absurd. Sie zu einer Maßeinheit abzuqualifizieren scheint mir zu trivial, zumal sie ihre Spuren in meinem Gesicht hinterlässt. Etwas schreitet voran, nimmt genau dadurch Einfluss auf mich und mir bleibt nur das Staunen über die Unfassbarkeit des vergangenen Moments.
Um dieser Spinnerei ein Gesicht zu geben führe ich an dieser Stelle die Eintagsfliege unter der Annahme ein, dass ihr Dasein als lebendige Fliege in dieser Welt 24 Stunden in Anspruch nimmt. Ihr Dasein wird markiert durch das Schlüpfen aus dem Ei und ihrem Tod, der nicht durch Spinnen oder Autoscheiben herbei geführt wird. In diesen 24 Stunden passiert alles, was für den Fortbestand der Spezies notwendig ist. Sie werden erwachsen durch das Aushärten ihrer Flügel, suchen sich Futter (oder auch nicht), eventuell Schutz vor dem Regen (falls es an diesem Tag regnen sollte), pflanzen sich fort und sterben. Ich frage mich, ob die Eintagsfliege aufgrund ihrer quantitativ verkürzten Zeitspanne eine andere Wahrnehmung von Sekunden hat? Welchen Unterschied würde es für sie machen, wenn sie beobachten könnte, dass es unter Lebewesen unterschiedliche Lebenserwartungen gäbe? Was würde das für ihr Zeitempfinden bedeuten? Wie würde sie dann ihre 24 Stunden bewerten? Oder hat das alles nichts mit der Zeit zu tun? Ist das Wahrnehmen der Zeit der Lebenserwartung derart angepasst, dass die 24 Stunden Lebenszeit der Eintagsfliege mit der durchschnittlichen Lebenszeit von Menschen vergleichbar ist? Wird ein Unterschied wahrgenommen? 
Ist Zeit etwas anderes als "ein Leben lang"? Ist es vielleicht eine Strecke von Anbeginn von allem bis Ende von dem was ist? Und wird sie genau durch das Erscheinen und Vergehen von etwas markiert? Wenn dem so wäre, wäre Zeit individuell. Es würde mir die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Zeit erklären. Ich würde mich korrigieren und sagen: Zeit ist nicht wahrnehmbar, sie markiert lediglich Anfang und Ende. Was ich wahrnehme ist meine persönliche Zerfallgeschwindigkeit, die im Laufe meines Lebens variiert und dadurch in unterschiedlichen Ausprägungen beobachtet werden kann. Wenn das so wäre, hätte die Eintagsfliege eine höhere Zerfallsgeschwindigkeit und könnte dadurch (relativ gesehen) eine weitere Strecke in kürzerer Zeit zurücklegen, die sich vielleicht in der Wahrnehmung in keiner Weise von der eines vergehenden Menschenlebens unterscheidet. Und vielleicht ist alles ganz anders

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