Mit Entscheidungen zu leben ist mindestens so schwer für mich, wie sie zu treffen. Beides gehört nicht zu den Disziplinen, von denen ich behaupte, dass ich mich gerne darin übe. Entscheiden ist für mich ein Ausscheiden von Möglichkeiten, die mir ebenso attraktiv erschienen, sodass sie de Facto zur Wahl standen. Jede Entscheidung bedeutet somit ein Abschied von Optionen, denen ich nicht nachkommen kann, sofern ein "sowohl als auch" dem Weiterkommen abträglich gewesen wäre. Ich frage mich, worauf ich am ehesten verzichten kann, statt zu fragen, was für mich optimal wäre. Mir ist klar, dass genau in dieser Form der Befragung das "nicht leben können mit Entscheidungen" begraben liegt.
Ich spreche hier bewusst nicht von Lösungen. Ich entwickle Optionen, die den Rahmen schaffen, innerhalb dessen sich Situationen "ent-wickeln". Würde ich Lösungen produzieren, wäre ich vermutlich nie in dem Dilemma, da das Problem, wie von Lösungshand, auf Schiene gebracht wäre. Damit habe ich aufgehört. Ich habe erfahren, dass ich, sofern ich jetzt eine Lösung produziere, wissen müsste, wie sie zum Zeitpunkt des Lösens wirkt. Sonst ist es ja keine Lösung. Ich habe erkannt, dass mir Vorhersagen nicht liegen. Das "in die Zukunft schauen" ist mir nicht möglich, nicht einmal die nächsten 5 Minuten. Es gibt selbst in den vermeintlich einfachsten Szenarien zu viele Faktoren, über die Vorhersagen zu treffen wären, um mit Bestimmtheit von einer Lösung zu sprechen. Ich habe mich, genau aus dieser Mangelhaftigkeit heraus der Entwicklung von Optionen zugewandt.
Ich frage mich: Wie soll der Rahmen gestaltet sein, indem ich die Situation klären will. Was brauche ich dazu und was braucht, sofern es ein Gegenüber gibt, der andere dazu, dass es zu einem befriedigenden Ergebnis kommen kann? Was soll bestenfalls und schlechtesten Falls herauskommen? Wie ist die Umgebung mit einzubeziehen? Die Fragekette könnte, je nach Problemfeld unendlich weitergeführt, spezifiziert werden. Die letzte Frage lautet jedoch immer: Was ist noch denkbar?
Spätestens jetzt habe ich mehr als eine Möglichkeit im Kopf, die zur Wahl steht. In meiner Neugierde würde ich gern alles ausprobieren, erfahren, wie das eine und das andere wirkt. Ich frage mich nicht, was ich dringend brauche, welche Möglichkeit mir mit hoher Wahrscheinlichkeit das optimalste Ergebnis liefern kann. Jetzt kommt meine Gier nach Erfahrung ins Spiel und ich denke: Das will ich unbedingt einmal erleben. Darauf will ich nicht verzichten und dem will ich mich auf keinen Fall aussetzen. Mein Entscheiden gestaltet sich zu einem Findungsprozess, der nach dem Lustprinzip entscheidet. Kaum habe ich meine Wahl getroffen und mich in die Situation gebracht, die mir die ausgewählte Möglichkeit vorschreibt, merke ich, wie unzufrieden ich bin. Ich merke, wie ich mich entgegen der Ausgangslage, nämlich zu einer für mich gütlichen Klärung zu finden, einen gänzlich anderen Weg beschritten habe. Der beinhaltet, wenn ich Glück habe, die Erfahrung, die ich machen oder vermeiden wollte, gleichzeitig bin ich nicht dort, wo ich ursprünglich hin wollte. Deshalb frage ich mich jetzt:
Was veranlasst mich dazu, Entscheidungen in dieser Form zu treffen? Was erwarte, erhoffe ich mir insgeheim davon? Worin liegt die Chance, wenn ich mein Verhalten beibehalte? Welche Ressourcen kann ich erkennen? Was würde mein Verhalten verändern? Wie kann ich mein Verhalten in solchen Situationen in die Fragestellung integrieren, dass ich ein optimales Ergebnis erziele? Was ist noch denkbar?
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