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Mittwoch, 25. Dezember 2013

Textfragment Hampelmann

Du ziehst mich an - das habe ich dir verdeutlicht! Ich habe geplappert, bejaht, verneint, Konter gegeben, Gemeinsamkeiten gesucht und gefunden, habe für zufällige Berührungen gesorgt, wurde lauter, wurde leiser, intellektueller, stupider, witziger und ernster. Ich war der Hampelmann deiner Aufmerksamkeit. Ich gab mich lasziv, extrovertiert, ignorierte dich. Du hast mir und meinem exzentrischen Schauspiel keinerlei Beachtung geschenkt. Zu sehr warst du damit beschäftigt deine Botschaft an dein Gegenüber, an die Frau, zu bringen. Und das war nicht ich! Du warst einfühlsam, aufmerksam, eloquent, schüchtern. Deine Männlichkeit ihr zum Beweis mehrfach angeboten wurdest du zum Schmusekätzchen, dass nach Kontakt und Zweisamkeit bettelte. Der Sensible - vom Leben gezeichnet, der sich nach echter Verbindung sehnt. Einer Verbindung von der du annahmst, sie könnte zwischen euch bereits bestehen. Du wurdest zum Hampelmann ihrer Aufmerksamkeit. Du wurdest fordernd, betont körperlich, vereinnahmend. Sie hat dir und deinem exzentrischen Schauspiel keinerlei Beachtung geschenkt. Zu sehr war sie damit beschäftigt ihre Botschaft an ihr Gegenüber, an den Mann zu bringen. Und das warst nicht du! Bedächtige Worte. Ein schüchterner Augenaufschlag. Sie wollte von ihm entdeckt werden. Wie ein Schmuckstück, dessen Wert erst auf den zweiten Blick erstrahlt. Sie schenkte ihm ihre Eigenständigkeit, ihre Autonomie. Sie wurde zur Butter, die sich auf jedes Brot schmieren ließ. Sie umgab sich mit Harmonie und Häuslichkeit. Ihre Schwäche wurde ihm auf dem Silbertablett gereicht. Sie wurde zum Hampelmann seiner Aufmerksamkeit. Ihre kindliche Hilflosigkeit als Zeichen ihrer jungfräulichen Formbarkeit wartete sie auf ihre Erlösung durch ihren Ritter. Er hat ihr und ihrem exzentrischen Schauspiel keinerlei Beachtung geschenkt. Zu sehr war er damit beschäftigt seine Botschaft an sein Gegenüber, an die Frau, zu bringen. Und das war nicht sie! Er gab sich zurückhaltend, geheimnisvoll. Eindrücklich im Ausdruck, überlegt. Verlesen in seiner Belesenheit. Sein Auftreten versprach die weite Welt. Seine Vielschichtigkeit ein Universum an Gedanken und Ideen, die darauf warteten geteilt zu werden. Die subtilen Einladungen in seine Welt versteckten sich hinter einer intellektuellen Rhetorik, die einen Eindruck seines regen Geistes hinterließen. Er wurde zum Hampelmann meiner Aufmerksamkeit. Seine Manipulation, sein Einschleichen in meine Gedanken wurden für ihn zum Balanceakt zwischen Anmache und echtem Austausch. Ich habe ihm und seinem exzentrischen Schauspiel keinerlei Beachtung geschenkt. Zu sehr war ich damit beschäftigt, meine Botschaft an mein Gegenüber, an den Mann, zu bringen. Und das war nicht er!

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